Inwieweit sich die im Buch Daniel geschilderten um den neubabylonischen König Nebukadnezar (605 - 565 v. Chr.) wirklich so zugetragen haben, lasse ich mal dahingestellt. Es spricht Einiges für die These, dass hier Fakten und Fiktion miteinander vermischt wurden.
Dies aber tut dem vermittelten Lehrinhalt keinen Abbruch. Im Gegenteil! Sehr schön wird herausgearbeitet, dass Hochmut (Hybris) vor dem Fall kommen kann. Und das dies mitunter recht schnell gehen kann.
König Nebukadnezar, der mächtigste Mann seiner Zeit, hatte ein beunruhigendes Erlebnis: „ Ich, Nebukadnezar, hatte Ruhe in meinem Hause und lebte zufrieden in meinem Palast. Da hatte ich einen Traum, der erschreckte mich, und die Gedanken, die ich auf meinem Bett hatte, und die Gesichte, die ich gesehen hatte, beunruhigten mich.“
In dem Traum geht es – auf den Punkt um einen überaus prächtigen früchtetragenden Baum, der von einem aus dem Himmel herabsteigenden Engel gefällt wird. Seine Ahnung, dass der Traum mit ihm selber etwas zu tun haben könnte, trog ihn nicht. Der herbeigeholte Prophet Daniel redete Klartext: „ergeht es als Ratschluss des Höchsten über meinen Herrn, den König : Man wird dich aus der Gemeinschaft der Menschen verstoßen und du musst bei den Tieren des Feldes bleiben, und man wird dich Gras fressen lassen wie die Rinder und du wirst unter dem Tau des Himmels liegen und nass werden, und sieben Zeiten werden über dich hingehen, bis du erkennst, dass der Höchste Gewalt hat über die Königreiche der Menschen und sie gibt, wem er will.
Nun verhält es sich ja meist so mit den Menschen: Eine soche Ankündigung macht einen erst mal furchtsam und „demütig“. Aber wenn dann nichts passiert, denkt man, dass es vielleicht doch nur ein schlechter Traum ohne grössere Bedeutung gewesen sein könnte. Was ja oft auch stimmt. Aber in diesem Falle aber nicht
„Denn nach zwölf Monaten, als der König auf dem Dach des königlichen Palastes in Babel sich erging, hob er an und sprach: Das ist das große Babel, das ich erbaut habe zur Königsstadt durch meine große Macht zu Ehren meiner Herrlichkeit.
Ehe
noch der König diese Worte ausgeredet hatte, kam eine Stimme vom
Himmel: Dir, König Nebukadnezar, wird gesagt: Dein Königreich ist
dir genommen, man wird dich aus der Gemeinschaft der Menschen
verstoßen und du sollst bei den Tieren des Feldes bleiben; ...
Im
gleichen Augenblick wurde das Wort erfüllt an Nebukadnezar, und er
wurde verstoßen aus der Gemeinschaft der Menschen“ Aber das Ganze hatte wie von Daniel angekündigt ein Happy-End: Nach dieser Zeit hob ich, Nebukadnezar, meine Augen auf zum Himmel, und mein Verstand kam mir wieder und ich lobte den Höchsten. Ich pries und ehrte den, der ewig lebt, dessen Gewalt ewig ist und dessen Reich für und für währt,
gegen
den alle, die auf Erden wohnen, für nichts zu rechnen sind. Er
macht's, wie er will, mit den Mächten im Himmel und mit denen, die
auf Erden wohnen. Und niemand kann seiner Hand wehren noch zu ihm
sagen: Was machst du?
Die
sieben von Gott verordneten Leidensjahre machten auch Nebukadnezar
einen besseren Menschen und Herrscher. Denn er hatte erkannt, das ihm
Alles nur gegeben worden war und er diesem wahren Herrscher
des Himmels
Respekt schuldete.
Eine
nette historische Anekdote ohne realen Bezug? Mir fällt dazu eine
Geschichte ein, die ich mehr oder weniger aus erster Hand habe. Und
zwar handelt es sich dabei um einen Glaubensbruder aus meiner
Anfangszeit als Christ. Ich nenne ich mal Tobias. Er war ein
umsichtiger Hauskreisleiter, einfühlsamer Seelsorger und ein
glücklicher Ehemann. Trotz seiner jungen Jahren (zu Recht) beliebt
und anerkannt in der Gemeinde.
Tobias
war mit seiner Frau Sabine bei einem bekannten christlichen Prediger
zu Besuch gewesen und in einer gemeinsamen Gebetszeit hatte jener
Prediger plötzlich ein Bild vor Augen: Er sah einen prächtigen
Baum, der aber keine Früchte trug. Und er sagte dies zu Tobias,
verbunden mit folgender Ankündigung: „Du bist der prächtige Baum.
Aber du bringst keine Früchte. Und deshalb wird Gott großes Leid
über dich kommen lassen, damit du eines Tages viel Frucht bringst!“
Einige
Monate später verbrachten Tobias und Sabine ihren Sommerurlaub in
Jugoslawien. Auf der Rückreise passierte es dann. In einer Kurve
fuhr Tobias einfach geradeaus und der Wagen stürzte eine Böschung
hinunter. Wie durch ein Wunder überlebten beide unverletzt. Aber
eine lange Leidensgeschichte nahm ihren Anfang.
Wie
sich herausstellte war bei Tobias eine seltene Krankheit
ausgebrochen. Er hatte gelegentliche Blackouts.
Und
konnte sich anschließend an nichts mehr erinnern. Ich selbst
Augenzeuge eines solchen Vorfalls. Mitten in einer kleinen internen
Andachtsrede verstummte Tobias auf einmal und starrte apathisch ins
Leere. Als er wieder zu Bewusstsein kam, konnte er sich an das
Vorgefallene nicht erinnern. Das war wirklich „gespenstisch“ und
erschreckend zugleich .
Die
Ärzte stellten Tobias auf den Kopf ohne die Ursache für diese
seltsamen Blackouts herausfinden zu können. So blieb ihm nichts
Anderes übrig, als mit diesem Handikap
erst einmal bis auf Weiteres zu leben.
Ich
verlor ihn kurz darauf aus den Augen, weil ich aus der Stadt fortzog
und auf eine Bibelschule ging. Aber einige Zeit später war ich mal
zu Besuch in der Gemeinde und sah Sabine alleine im Gottesdienst
sitzen. Nachher sprach ich sie an und fragte, was mit Tobias sei.
Ihre Antwort schockte mich: „Wir sind nicht mehr verheiratet. Er
ist irgendwo anders hingezogen und will dort ein neues Leben
beginnen!“ Ich schaute sie fragend an: „Ja, ich habe ihn
verlassen. Ich kann einfach nicht mit einem Mann leben, der seinen
Kontrollverlust einfach nicht akzeptieren kann.“
Nun,
ich wollte in dieser Sache nicht weiter nachbohren. Aber sie tat mir
Leid, denn ich wusste, dass sie Tobias wirklich geliebt hatte und mit
Sicherheit eine solche Entscheidung sich nicht leicht gemacht hatte.
Und mir schauderte leicht vor dem Schicksal von Tobias. Wie im Bild
vom Baum und dem Prediger angekündigt war schweres Leid in sein
Leben gekommen.
Ich
weiss nicht, wie diese Geschichte weitergegangen ist. Aber Gott macht
keine Fehler. Und was ER sich vorgenommen hat führt er auch aus. Und
so gehe ich auch davon aus, dass Tobias eines Tages die fehlenden
Früchte
am Baum getragen hat oder tragen wird.